Europäisches Institut für Stillen und Laktation

Gewichtsentwicklung und Gedeihen

Unsere Fachinformationen werden regelmäßig überprüft und ergänzt.
Letzte Aktualisierung dieser Seite: 05/2025

Das Stillmanagement ist entscheidend

Gestillte Säuglinge entwickeln sich weltweit sehr ähnlich, wenn die Bedingungen erfüllt sind, die sie für ein optimales Wachstum benötigen. Entscheidend dafür sind gute Aufklärung und Begleitung der Famillien, so dass sich ein optimales Stillmanagement etablieren kann.

Ein gesundes, reifes Neugeborenes wird sich normalerweise von selbst ca. 8 - 12 x oder mehr in 24 h zum Stillen melden. Wird das Baby in den ersten Tagen und Wochen korrekt angelegt und kann uneingeschränkt lange stillen, wird dadurch eine ausreichende Stimulation gewährleistet. Dies führt dazu, dass sich die Milchbildung gut aufbaut und das Baby eine adäquate Nährstoffversorgung für eine gesunde Entwicklung erhält.

Meldet sich ein Neugeborenes nicht häufig genug von selbst oder ermüdet rasch an der Bust, so ist es wichtig, dass die Eltern zusätzliche Maßnahmen treffen um eine ausreichende Nahrungsaufnahme zu gewährleisten.

Auf dieser Fachseite stellen wir Ihnen wichtige Eckpunkte vor, wie eine adäquate Gewichtsentwicklung und das Gedeihen eines Stillkinds beurteilt und bei Bedarf unterstützt werden kann.

Beurteilungskriterien für das gute Gedeihen eines Stillkindes

  • Beobachtung des Saug- und Trinkverhaltens an der Brust
  • Ausscheidungen des Kindes
  • Gewichtsverlauf
  • Beobachtung des Verhaltens und Entwicklungsstandes des Kindes
  • ©P. Schütz
    ©P. Schütz
  • © Fotografie Schütz
    ©P. Schütz

Die ersten Stunden und Tage

In der Neugeborenen-Phase wird das Stillen initiiert und etabliert. Die großen Veränderungen während der ersten sensiblen Tage erfordern eine differenzierte Beurteilung des Verlaufs. Durch Beobachtung aller oben genannten Kriterien lässt sich bereits ab dem ersten Lebenstag beurteilen, ob die Laktation normal in Gang kommt.

Grundlagen des Stillmanagements

  • Mutter und Kind bleiben unmittelbar nach der Geburt im direkten Haut-zu-Haut-Kontakt. Lesen Sie dazu ausführlich weiter auf unserer Fachseite → Bonding und Self-Attachment
  • Das erste Stillen findet noch im Kreißsaal statt. Im Idealfall hat das Baby von selbst zur Brust gefunden oder hat mit Unterstützung gut an der Brust gesaugt. Wenn dies nicht möglich war, so wird von Hand gewonnenes Kolostrum verabreicht (siehe dazu auch unsere Fachseite → Gewinnen und Aufbewahren von Muttermilch)
  • Das Neugeborene wird bei Stillzeichen frühzeitig und ohne Verzögerung angelegt. Stillzeichen sind z.B. Lecken mit der Zunge, Führen der Hand zum Mund, suchende Kopfbewegungen, unruhige Laute
  • Mutter und Kind haben eine bequeme Stillposition eingenommen. In den meisten Fällen wird dies das Intuitive Stillen sein, im Bedarfsfall ergänzt durch andere Stillpositionen. Lesen Sie dazu weiter auf unserer Fachseite → Anlegen und Positionieren
  • Das Baby erhält in dieser ersten sensiblen Phase keine anderen Sauger oder Schnuller. Wenn aus medizinischen Gründen eine Zufütterung notwendig wird, erfolgt diese brustnah oder mit Hilfe von stillfreundlichen Methoden (siehe dazu auch unsere Fachseite → Zufütterung und Zufütterungsmengen
  • Wenn das Kind an der Brust ist, sind Zeichen des Milchtransfers beobachtbar: immer wieder kommt es zu rhythmischem, ausdauerndem Saugen und Schlucken, bei einigen Müttern sind an der zweiten Brust Milchtropfen sichtbar, manche Frauen spüren auch den Milchspendereflex als Kribbeln oder Ziehen in der Brust oder spüren Nachwehen/ verstärkten Wochenfluss während des Stillens.

Nicht immer gelingt der Stillbeginn reibungslos. Zum Glück stehen uns eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Verfügung, Mutter und Kind dann so zu unterstützen, dass eine verfrühte Zufütterung ohne zwingende medizinische Indikation vermieden werden kann.
Dazu haben wir ein ausführliches Statement veröffentlicht, das hierzu konkrete Vorschläge macht:
→ Empfehlungen zur Gewichtsentwicklung: Gedeihen eines Stillkindes

Lesen Sie zu diesen Punkten ausführlicher weiter auf unserer Fachseite

Besonderes Augenmerk benötigt die Gruppe der sogenannten "Late preterm"-Babys. Diese Neugeborenen sind gefährdet, in den ersten Tagen und Wochen nicht ausreichend effizient und nicht ausdauernd genug an der Brust zu trinken.
Lesen Sie auf unserer Fachseite mehr zu diesem Thema:

Ausscheidungen

  • Innerhalb der ersten 8 Stunden postpartum ist bei gutem Stillmanagement der erste Urin und das erste Mekonium (schwarzer Stuhl) zu erwarten.
  • Ab Tag 2 ist bereits sichtbar, dass der Stuhl heller wird; spätestens ab Tag 5 kein Mekonium mehr.
  • Spätestens ab Tag 3 ist kein "Ziegelmehlsediment" mehr im Urin vorhanden (rostrote Flecken, die manchmal auftreten können), der Urin ist klar oder blassgelb.
  • Ab Tag 3- 4 hat das Neugeborene mindestens 3 Stuhlentleerungen und 5 - 6 schwere nasse Windeln.

Gewichtsentwicklung

  • Eine Gewichtsabnahme von bis zu 7% ist physiologisch, der tiefste Punkt wird meist an Tag 3 erreicht.
  • Wenn das Kind über 7% an Gewicht verliert, ist eine Überprüfung des Stillmanagements notwendig und es sollten Maßnahmen zur Sicherung des Milchtransfers ergriffen werden (z.B. Brustkompression beim Stillen, Handgewinnung von Kolostrum ergänzend zum Anlegen). Zufütterung ist noch nicht notwendig.
  • Bei einem Gewichtsverlust von mehr als 10% ist in den meisten Fällen die medizinische Indikation zur Zufütterung gegeben. CAVE: bei einigen Kindern kann das Geburtsgewicht durch hohe peripartale mütterliche i.v.-Flüssigkeitsgaben verfälscht sein. Lesen Sie dazu auch unseren → Artikel von 05/2018
  • Nach der temporären Gewichtsabnahme in den ersten Tagen erreicht das Neugeborene sein Geburtgewicht spätestens an Tag 10 wieder.
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    ©Lactamedia
  • Kolostrum_Zufütterung ©N. Groiss (1)
    ©N. Groiss

Die ersten Wochen und Monate

Nach den allerersten Tagen, in denen das Stillen an der noch weichen Brust geübt und das wertvolle Kolostrum für das Kind zur Verfügung gestellt wird, setzt ca. an Tag 3 - 5 pp die Initiale Brustdrüsenschwellung (IBDS) ein. Die Milchmenge steigt nun rasch an und wird innerhalb der nächsten 1 - 2 Wochen auf die volle Kapazität für die gesamte restliche Stillzeit aufgebaut.

Grundlagen des Stillmanagements

  • Das Baby wird weiterhin ca. 8 - 12x oder mehr in 24 h gestillt, sobald es frühe Stillzeichen zeigt. Die einzelnen Stillmahlzeiten dauern unterschiedlich lange. Je häufiger der Milchspendereflex pro Mahlzeit ausgelöst werden kann, desto besser wird die Milchbildung angeregt und eine ausreichende Nahrungsaufnahme des Kindes gewährleistet.
  • In den ersten Wochen werden meist beide Brüste angeboten – nach etablierter Milchbildung kann dies flexibler und nach aktuellem Bedarf von Mutter und Kind gestaltet werden.
  • Das Baby zeigt ein aktives Trink- und Saugverhalten: Phasen des nutritiven Saugens (regelmäßiges ausdauerndes Schlucken) wechseln sich mit Phasen des non-nutritiven Saugens ("nuckeln"/ kleine Pausen an der Brust) ab. Beide Phasen sind wichtig für die Etablierung der Milchbildung und sollten nicht eingeschränkt werden.
  • Nach der erfolgreichen Etablierung des Stillens und der Milchbildung kann ergänzend bei Bedarf auch ein Schnuller oder andere Hilfsmittel zur Beruhigung des Babys eingeführt werden, sofern es trotzdem weiterhin ausreichend oft Zeit an der Brust verbringt.
  • In den ersten Wochen kommt es häufig zu sogenannten Clusterfeeding-Phasen, in denen das Baby in kurzen Abständen kleine Portionen trinkt, sich ausruht und dann wieder weiterstillen möchte. Diese Phasen sind meist in den späten Nachmittags- und frühen Abendstunden besonders ausgeprägt und sind Teil der normalen Entwicklung.
  • Mit ca. 3 Monaten haben sich Mutter und Kind meist gut eingespielt, die Clusterfeeding-Phasen haben sich abgeschwächt und die meisten Babys stillen nun deutlich effizienter und kürzer als in den ersten Wochen. Die Frequenz von ca. 8 - 12 x in 24 h bleibt jedoch erhalten und ist notwendig, um das ausreichende Gedeihen des Kindes sicherzustellen.

Ausscheidungen

  • In den ersten 4 - 6 Wochen sind täglich etwa 2 - 5 Stuhlentleerungen zu erwarten. Nach dieser Zeit kann ein ausschließlich gestilltes Kind weiterhin mehrmals täglich, aber auch deutlich seltener – bis zu 1x in 14 Tagen – Stuhlgang haben, solange alle anderen Zeichen für ein gutes Gedeihen erfüllt sind.
  • Das Baby hat weiterhin täglich mindestens 5 - 6 schwere nasse Einwegwindeln oder 6 - 8 nasse Stoffwindeln.

Gewichtsentwicklung

  • Ein gut gestilltes Kind wird auf seiner individuellen Perzentile parallel entlang der WHO-Wachstumsstandards zunehmen. Abweichungen nach unten sind immer ein Zeichen für die Notwendigkeit, das Stillmanagement zu überprüfen.
  • Die Tages-Trinkmenge, die ein ausschließlich gestillter Säugling nach voll etablierter Milchbildung zu sich nimmt, bliebt bis zur Einführung der Beikost weitgehend konstant, sodass sich die anfänglich rasante Gewichtszunahme nach und nach verlangsamt.
  • Die wöchtentliche Gewichtszunahme in den ersten Wochen zeigen folgende Tabellen:
Tabelle Gewichtszunahme
Tabelle Richtwerte-Gewichtszunahme
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    © M. Gruber
  • © Pexels/MehmetTurgutKirkgoz
    © Pexels/MehmetTurgutKirkgoz

Die WHO-Wachstumsstandards als wichtiges Hilfsmittel

Die WHO-Wachstumsstandards sind das Ergebnis mehrerer großer Längsschnitt-Studien, die in verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen sozio-ökonomischen Bedingungen durchgeführt und von der WHO 2006 veröffentlicht wurden. Sie zeigen, dass sich gestillte Säuglinge weltweit nahezu gleich entwickeln, wenn die Mutter gut zum Stillen unterstützt wird und das Stillmanagement wie oben beschrieben erfolgt.

Damit sind die Wachstumskurven sehr gut geeignet, um Still-Hindernisse zu identifizieren: wenn das Wachstum nicht perzentilenparallel erfolgt, ist dies ein Hinweis, das Stillmanagement zu überprüfen und der Mutter kompetente Unterstützung anzubieten.

Die WHO-Perzentilenkurven sind für verschiedene Altersgruppen erhältlich, in der Praxis werden am häufigsten die Kurven für die ersten 6 Monate benötigt.
WHO Wachstumsstandards Perzentilen 0 - 6 Monate: Mädchen
WHO Wachstumsstandards Perzentilen 0 - 6 Monate: Jungen
Weitere Kurven für andere Altersgruppen

  • WHO_boys
    Jungen, 0 - 6 Monate © WHO
  • WHO_girls
    Mädchen, 0 - 6 Monate © WHO

Für die Praxis der Stillberatung hat Márta Guóth-Gumberger, IBCLC, ein sehr empfehlenswertes Buch für Fachkräfte geschrieben: Gewichtsverlauf und Stillen – Dokumentieren, Beurteilen, Begleiten, erschienen im Mabuse-Verlag. In diesem findet sich auch das von ihr entwicke Programm STILLDOK, welches sich gut zur individuellen Beurteilung des Gewichtsverlaufes eignet (auch als Premie-Version erhältlich).
Außerdem stellt sie auf ihrer Webseite hilfreiche Informationen und Materialien zur Verfügung, u.a. detaillierte Videos, die Fachkräften die Beurteilung des Gewichtsverlaufs erleichtern:
Informationsseite für Fachkräfte zum Thema Gewichtsverlauf beim Stillen

Was tun, wenn das Kind nicht gut gedeiht?

Wenn Ausscheidungen oder Gewichtsverlauf nicht mit den zu erwartenden Anforderungen für die jeweilige Altergruppe übereinstimmen, ist dies eine sehr komplexe und herausfordernde Situation für Familien und begleitende Fachkräfte. Zunächst wird das Stillmanagement genau überprüft und optimiert. Auch wenn in jedem Fall immer zuerst die adäquate Gewichtszunahme des Kindes im Fokus steht, ist es besonders wichtig diese Familien empathisch und wertschätzend zu beraten.

Lesen Sie dazu ausführlich weiter auf unseren folgenden Fachseiten:

Stillen fördern

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